Woher kommt meine Kleidung? Nachhaltigkeit in der Modeindustrie - Ein weiter Weg
Nur etwa fünf Prozent aller in Deutschland verkauften Textilien wurden hier produziert. Stellt sich die Frage: Wo genau kommt mein Lieblingsteil her? Und ist es für den Verbraucher möglich, den Weg seiner Kleidung zurückzuverfolgen?
Vom Rohstoff, zur Verarbeitung und Veredelung und schließlich in die Läden ist es ein weiter Weg. Hinter jedem Kleidungsstück stecken viele einzelne Produktionsschritte, die meist in unterschiedlichen Ländern erfolgen. So kann die Jeans bis zu 20.000km zurücklegen, bevor sie im Kleiderschrank landet. Die Komplexität der Lieferkette macht es jedoch schwierig, den Weg der Kleidung nachzuvollziehen.

USA: Anbau und Ernte der Baumwolle
Türkei: Die Baumwolle wird in Spinnereien zu Garn gesponnen.
Taiwan: Aus dem Baumwollgarn wird in den Webereien der Jeansstoff hergestellt.
Polen: Produktion der chemischen Indigofarbe, die zum Einfärben des Jeansstoffes benötigt wird
Tunesien: Einfärben des Jeansstoffs mit der Indigofarbe
Bulgarien: Veredelung des Jeansstoffs, sodass dieser weich und knitterarm wird
China: Hier wird die Jeans zusammengenäht
Frankreich: Die Jeans bekommt ihren letzten Schliff, indem sie bspw. mit Bimsstein aus Griechenland gewaschen wird, wodurch der „Stone-washed-Effekt“ entsteht.
Deutschland: Verkauf der fertigen Jeans
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Woher stammt das verwendete Material?
Baumwolle gehört zu den weltweit am häufigsten genutzten Rohstoffen in der Textilindustrie. Zu den größten Produzenten für Baumwolle zählen China mit 30 Prozent, Indien mit 20 Prozent und die Vereinigten Staaten mit 15 Prozent des weltweiten Baumwollanbaus.
Wo genau die Baumwolle herkommt, die für ein Kleidungsstück Verwendung fand, wird jedoch nur in Ausnahmefällen angegeben. Nämlich dann, wenn es sich um einen „ökologisch sicheren“ Anbau handelt. Der Blick auf das Etikett gibt dem Verbraucher diesbezüglich also nur selten Auskunft.
Die Produktionsländer der Textilindustrie
„Made in Bangladesch“, „Made in Kambodscha“ oder „Made in China“ – um Verbrauchern möglichst preiswerte Ware zu liefern, führt der Kampf um die günstigsten Produktionskosten die Hersteller in Billiglohnländer, in denen menschenunwürdige Arbeitsbedingungen vorherrschen. Ein Großteil der Textilien wird somit im asiatischen Raum produziert. Doch auch „Made in Europe“ ist kein Garant für faire Arbeitsbedingungen: Besonders in rumänischen, albanischen und türkischen Textilfabriken arbeiten die Menschen für Löhne unterhalb des Existenzminimums. Wer glaubt, nur Anbieter günstiger Textilprodukte lassen ihre Ware in Billiglohnländern herstellen, täuscht sich! Oftmals nutzen Luxusmarken dieselben Textilfabriken wie die Discounter. So garantieren auch hohe Preise oder Markennamen nicht zwangsläufig faire Herstellungsbedingungen.
Als sichere Herkunftsländer können beispielsweise Schweden oder die Niederlande eingestuft werden, wo inzwischen zumindest ein Bruchteil der H&M-Ware hergestellt wird.
Nachgefragt: Wo kommt meine Kleidung her?
Mir war aufgefallen, dass sich auf dem Etikett meines neuen C&A-Kleides lediglich Informationen über die Materialzusammensetzung (v.a. Polyester als die am häufigsten genutzte Kunstfaserart in der Textilverarbeitung) und Pflegehinweise zu finden sind. Ein Produktionsland ist nicht angegeben. Grund genug sich einmal zu erkundigen!
Ich bei C&A – einem der umsatzstärksten Unternehmen des deutschen Textilhandels – nachgefragt. Dass Verbraucher nur schwer Informationen bezüglich der Produktionsorte der Kleidungsstücke erhalten, erstaunte mich nicht. In den Geschäften selbst wird man zunächst zum Store-Manager geschickt, der keine verlässliche Auskunft geben kann. Mein Gespräch mit dem Leiter einer C&A-Filliale stellt sich als enttäuschend heraus: Nach dem Verweis auf die „allgemein hohen Qualitätsstandards“ folgt lediglich der Tipp, sich auf der Webseite genauere Informationen einzuholen.
„Wear the change“ – Große Versprechen auf den Webseiten und Ungewissheit der Kunden
Die Online-Auftritte der Textilunternehmen strotzen vor Beiträgen zum Thema Nachhaltigkeit. Entsprechende Kampagnen sind geschickt platziert. „Wear the change“ heißt es bei C&A, um für die neue Kollektion zu werben, die durch nachhaltige Materialien wie Bio-Baumwolle oder recycelte Stoffe, einen Wechsel markieren und somit neue Kunden locken soll. Desweiteren findet sich auf der Internetseite von C&A eine Rubrik, die sich dem Thema Nachhaltigkeit widmet. Informationen, wie das Unternehmen faire Produktionsbedingungen und ökologische Nachhaltigkeit fördert, werden hier zur Verfügung gestellt. Ebenso findet sich eine Übersicht über die weltweiten Lieferanten. Es entsteht der Eindruck, dass der Textilriese auf ökologisch und sozial faire Produkte Wert legt und darüber hinaus bemüht ist, die Lieferkette transparent zu gestalten.
Rückschlüsse darüber, wo genau mein Kleid nun herkommt, finden sich auf der Internetseite natürlich nicht. Die letzte Möglichkeit, nähere Informationen zu erhalten, besteht also darin, sich direkt an den Kundenservice zu wenden. Und tatsächlich bekomme ich nach einigen Tagen eine ausführliche Antwort des C&A-Kundenservices. Jedoch ausschließlich mit den Informationen, die auf der Internetseite präsentiert werden.
Alle Bio-Baumwoll-Produkte sind entweder nach OCS oder GOTS zertifiziert. Aber woher stammt die übrige Baumwolle, die immerhin den größeren Anteil ausmacht? Das bleibt (zumindest für mich) ungewiss.
Der Vermerk, dass die Kennzeichnung mit einem ‚country of origin‘ generell problematisch ist, da ein Artikel sowohl von unterschiedlichen Lieferanten als auch aus unterschiedlichen Ländern bezogen werden kann, soll mich vertrösten.
Für mich bleibt die Herkunft meines Kleides letztlich unklar.
Kleine Schritte auf einem weiten Weg
Beim Blick auf die Modebranche, wird ersichtlich, dass die Textilunternehmen längst unter Zwang stehen, „faire“ Kampagnen ins Leben zu rufen. So erscheint beispielsweise der neue Katalog des schwedischen Konzerns H&M auf Recycling-Papier und auch bei den Textilien wird mehr und mehr auf nachhaltige Materialen zurückgegriffen. Doch das sind nur kleine Schritte. Und ein Teil der Verantwortung liegt auch bei den Verbrauchern, die durch ihr Kaufverhalten den Markt mitbestimmen!
Warum kaufen wir eigentlich so viel?
Durchschnittlich kaufen die Deutschen zwischen 40 und 70 Kleidungsstücke pro Jahr. Das sind pro Kopf circa zwölf Kilogramm Kleidung jährlich. Damit ist Deutschland zusammen mit den USA und der Schweiz an der Weltspitze des Klamottenkonsums.
Klar, es geht darum, jedem Trend zu folgen. Angetrieben von sozialen Medien, wie Instagram oder den zahlreichen Modeblogs, verbreiten sich die Trends im Eiltempo – und verschwinden ebenso schnell wieder. Um der Nachfrage hinterher zu kommen, bringen große Textilunternehmen, wie H&M oder Zara, im Wochenrhythmus neue Kollektionen auf den Markt.
Das Bedürfnis, jedem Trend zu folgen, hat zur Konsequenz, dass Kurzlebigkeit den Kleiderschrank bestimmt. Doch machen einen die vielen Sachen am Ende glücklicher? Sicher, Mode kann unser Selbstbewusstsein beflügeln.Wer sich in seiner Kleidung wohlfühlt, ist selbstsicherer und strahlt dies meist auch auf Andere aus. Doch machen Kleider wirklich Leute? Fest steht: Leute machen Kleider! Und das leider zumeist für Hungerlöhne unter widrigen Arbeitsbedingungen. Zeit also das Kaufverhalten zumindest zu überdenken…
Welche Alternativen gibt es?
Mode sollte nicht zum Wegwerfartikel verkommen. Warum also die Lieblingshose nicht reparieren, wenn eine Naht aufgeht? Oder warum den Pullover, den man nicht mehr mag, nicht einfach tauschen?
Indem man Kleidung auf Online-Plattformen, in Secondhand-Läden oder auf Flohmärkten verkauft, kann aus den Teilen, die ungenutzt im Kleiderschrank liegen, Geld gemacht werden.
Wie können Verbraucher aktiv werden?
Die Clean Clothes Campaign setzt sich seit 1989 für die Rechte der Arbeiter und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der internationalen Textilindustrie ein. Die Organisation fordert Verbraucher auf, nachzufragen, unter welchen Arbeitsbedingungen die Textilien hergestellt wurden. Indem Käufer, die „Shopkarte“ der Clean Clothes Campaign im Geschäft abgeben, kann das Interesse an fairen Kleidungsstücken signalisiert und somit Druck auf die Modeunternehmen ausgeübt werden.
Welche Textilsiegel gibt es?
Aus welchem Material ist mein Kleidungsstück? Wie wurden die notwendigen Rohstoffe angebaut und verarbeitet? Unter welchen Arbeitsbedingungen wurde die Kleidung produziert?
Konsumenten, die auf soziale, ökonomische sowie ökologische Nachhaltigkeit der Kleidungsstücke achten wollen, sehen sich mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. So gibt es eine Reihe von Gütesiegeln, die sich zumeist jedoch nur auf einen Aspekt der Produktion beziehen. Beispielsweise stellen Siegel wie Global Organic Textile Standards (GOTS), EU Ecolabel oder bluesign sicher, dass es sich um kontrollierten ökologischen Anbau handelt und weder Pestizide noch gentechnisch-verarbeitete Pflanzen genutzt wurden. Während das Fair Trade Siegel Baumwolle bezeichnet, die zu fairen Preisen gehandelt wird und somit faire Löhne für Plantagenarbeiter fördert, bietet die Fair Wear Foundation (FWF) ein Zertifikat für soziale gerechte Arbeitsbedingungen in den Textilfabriken.
Hilfreich, um im Dschungel der Gütesiegel nicht den Überblick zu verlieren, ist der „Label-Check“ der Clean Clothes Campaign sowie der Ratgeber „Textil-Label unter der Detox-Lupe“ von Greenpeace.